Zuerst – und am wichtigsten: «DAS» eine Metaverse gibt es nicht! Vielmehr gibt es unterschiedliche Metaversen. Seit der Konzern «Meta» (vormals facebook) die Entwicklung seines eigenen Metaverse bekannt machte, versteht die breite Öffentlichkeit aber genau deren Plattform als «das Metaverse». Gutes Marketing also. Doch was hats wirklich mit den Metaverses auf sich? Zuerst mal eine kurze Zerlegung des Begriffes:
Wikipedia beschreibt das Metaverse als einen digitalen Raum, der durch das Zusammenwirken virtueller, erweiterter und physischer Realität entsteht. Und auch: Dass der Hauptaspekt darin besteht, die verschiedenen «Handlungsräume» des Internet zu einer virtuellen Wirklichkeit zu vereinigen. Im Weiteren versteht sich das Metaverse auch als Bestandteil des «Web3» – dem erweiterten Web, dessen wichtigste Komponente der soziale Austausch ist. Oha – ganz schön abstrakt.
Versuchen wirs mal einfacher: Das Metaversum ist eine virtuelle Welt, in der Menschen auf einer digitalen Plattform zusammen am selben Ort sein, sich austauschen und untereinander interagieren können. Dies erst mal vollständig unabhängig davon, ob das auf einem Laptop, einem Smartphone oder einer VR-Brille geschieht. Das lange Zeit populärste Beispiel für eine solche virtuelle Welt ist Second Life. Bereits 2003 gestartet, lässt sich darin seither genau das tun, was der Name verspricht: Sich ein paralleles, zweites Leben aufbauen. Mit einem Avatar – einem digitalen Pendant zum echten Ich. So wird man schonmal aus dem zurückhaltenden Büroangestellten ein Fabelwesen oder gar ein Superheld. Mit dieser zweiten, digitalen Identität lässt sich auch geschäften: Mit Waren handeln (vorwiegend virtuellen, versteht sich) oder Dienstleistungen anbieten. Und natürlich finden auf dieser Basis immer auch soziale Interaktionen statt.
Sehen wir mal ab von den rein spielerischen Varianten (Minecraft, Fortnite, ...), die man auch als Metaverse bezeichnen kann, kam vor allem nach 2020 Schwung in die Szene. Ab da gewannen nämlich Plattformen wie Decentraland oder The Sandbox mit weniger spielerischen Absichten an Boden. Auch oder vor allem im eigentlichen Sinn dieser Aussage: Denn tatsächlich lässt sich in verschiedenen Metaversen digitaler Baugrund in Form von NFTs erwerben.
Wenn grosse Spieleschmieden zudem ankündigen, mit eigenen Metaverse-Projekten an den Start zu gehen, befeuert dies den Trend hin zur digitalen Parallelwelt zusätzlich. Eines haben aber all diese Projekte bisher gemein: Sie richten sich an eine Zielgruppe von Technologie-Erfahrenen und Game-Afficionados. Denn obschon die Immersion einer parallelen Welt in Virtual Reality um Längen ausgeprägter ist, findet der Grossteil der 3D-Welten weitestgehend auf dem flachen Monitor des Computers oder des Smartphones statt. Dies nicht zuletzt, weil der Weg von den bestehenden Metaversen in die idealerweise kabellosen Headsets mit technischen Umwegen verbunden ist, die eben doch ein bisschen Technik-Know-How benötigen.
Und hier macht Metas Metaverse einen Unterschied. Mit dem Kauf einer Meta Quest (vormals Oculus Quest) hält man quasi den Schlüssel für ein Plug & Play Metaverse in Virtual Reality in den Händen. Ohne komplexe PC-Installation und ohne zusätzliches Setup zeigt sich nur Minuten nach der Aktivierung eine in 3D erfahrbare Welt, die sich intuitiv handhaben lässt.
Wer nun aber eine glanzvolle, hochentwickelte und detailreiche Umgebung erwartet, wird vom ersten Wurf grundlegend enttäuscht: Statt realistischer Welten findet man sich in einer Mischung aus beinlosen Duplo-Figuren und Puppenhaus-ähnlichen Räumen wieder. Das Ganze entspricht gerade mal dem Look von Spielen von vor 25-30 Jahren. Doch zeigt sich Meta hier sehr ambitioniert, eine Grundlage für Grösseres zu schaffen. Schon mit der zweiten Technologie-Präsentation geben sich die Avatare deutlich detaillierter, mit Beinen – und vor allem können sie die Gesichtsausdrücke des VR-Brillenträgers lesen und diese am Avatar darstellen. Ein Novum auf dem VR-Markt, das einen erheblichen Unterschied darstellt.
Nun, das Potenzial ist gross. VR selbst hatte sich in Gartners Hype Cycle schon im Jahr 2017 in Richtung «Slope of Enlightment» bewegt – also dem Übergang in eine Technologie, die sich etabliert und nutzbare Anwendungen mit sich zieht. Das Metaverse selbst schafft es im Hype Cycle von 2022 auf die Stufe eines «Innovation Triggers». Hohe Erwartungen an technische Möglichkeiten, die noch reifen müssen.
Lässt man den gesamten Aspekt der spielerischen Anwendungen mal weg – und der wird sicherlich wirtschaftlich betrachtet für sich selbst schon beachtlich – lässt sich heute schon erahnen, was in professionell ausgerichteten Anwendungen möglich wird. Einer der wichtigsten Aspekte ist, dass mit den neuesten Headsets Kommunikation unter den Benutzern äusserst intuitiv wird. Wer schonmal einen öffentlichen Raum im Metaverse mit anderen geteilt hat weiss, wie surreal aber gleichzeitig echt sich ein Kontakt mit Fremden anfühlen kann.
Nein, weit mehr. Die Grundlage des Metaverse ist eine vereinheitlichende Plattform. Auf dieser lassen sich verschiedene Grundlagen wie beispielsweise der Avatar oder Bezahlsysteme auf gleiche Weise über unterschiedlichster VR-Applikationen hinweg nutzen. Das hilft einerseits, eine einheitliche UX (User Experience/Benutzererfahrung) zu schaffen, andererseits vereinfacht es die Entwicklungsarbeit für Anbieter. Wenn SDK (Software Development Kits) für unterschiedlichste Funktionen zur Verfügung stehen, müssen diese für neue Applikationen nicht mehr von Grund auf entwickelt werden.
Als Software-Anbieter brauche ich mich so «nur» ums Wesentliche zu kümmern. Nehmen wir an, ich baue einen Shop, in dem sich Avatare treffen, um gemeinsam einzukaufen. Ich gestalte dazu die visuelle Form meines Shops und sorge mich um das User Interface. Zudem binde ich die Quellen für die Artikel ein und schaffe den Checkout-Bereich. Worum ich mich nicht kümmern brauche, ist wie die Avatare im Shop angezeigt werden und wie sie untereinander kommunizieren. Ich brauche mich auch nicht ums Zahlungssystem zu kümmern, da diese bereits Teil der Plattform ist.
Vergleichbar ist das mit dem Erfolg des Smartphones: Die Hersteller bieten die nötige Hard- und Software (Mobil-Telefon und dessen Betriebssystem), Schnittstellen/SDK (Zugriff auf die Sensorik und Frameworks zur Nutzung von Funktionen wie beispielsweise AR oder Geolokalisierung) sowie den Vertriebskanal (App-Store) an. Entwickler profitieren davon, indem Sie auf eine Vielzahl vorgefertigter technischer Möglichkeiten zugreifen können. Das befeuert die Entwicklung immer neuer Anwendungen und ist gleichzeitig für die Systemhersteller interessant, da diese am Verkauf der Geräte verdienen – und über den Verkauf der Apps Provision erhalten.
Kommt sehr auf den Standpunkt an: Für Gaming-Enthusiasten dürfte sich Metas Metaverse derzeit optisch wie ein starker Rückschritt anfühlen. Die Reduktion auf die grafische Qualität wird dem Ansatz von Metas Metaverse jedoch nicht gerecht. Für den professionellen Anwendungsbereich – respektive den Anwendungsbereich, aus dem ein echter Nutzen entsteht, sieht das deutlich anders aus: Während andere Metaversum-Applikationen sich auf ihre eigene Welt konzentrieren, schafft Meta ein ganzes Ökosystem, in dem sich Funktionen zwischen Applikationen übergreifen nutzen lassen. Als Nutzer bewege ich mich damit nicht mehr nur zwischen verschiedenen Räumen sondern vielmehr zwischen (Arbeits-) Bereichen mit ganz spezifischen Funktionen.
Das bringt den Vorteil, dass gesamte Teile des realen Arbeits- und Freizeitlebens in den VR-Bereich verschoben werden können: Vom virtuellen Marketing-Meeting direkt in den Arbeitsraum wo die neuesten Produktdesign-Modelle mit den Profis aus der Entwicklung bearbeitet werden – um nach dem Feierabend noch eine runde virtuellen Workout mit der Kollegin durzutrainieren.
Meta hat also nichts neues erschaffen. Der Unterschied liegt darin, dass nun unterschiedliche freie Entwickler die Möglichkeit haben, Ihre Ideen auf einer standardisierten Plattform in eigenständige Produkte umzusetzen. Diese wiederum sind ins Gesamtsystem integriert und schaffen so einen erweiterten Nutzen für die Anwender.
Das Insgesamte Produkt steckt aber noch in den Kinderschuhen. Dies zeigt sich an Tatsachen wie der, dass eine der Kernapplikationen in Europa noch nicht flächendeckend ausgerollt wurde: Meta Horizon Worlds wurde – Stand Herbst 2022 – erst in Frankreich und Spanien verfügbar gemacht. Dennoch: Metas Schlüssel zum Metaverse sind die Meta Quest VR-Headsets. Diese dominieren den Markt entsprechender Produkte mit deutlich mehr als einem Drittel Anteil. Trotz Medienberichten zu umfassenden Entlassungen und negativeren Zukunftsaussichten, wäre es sehr erstaunlich, wenn Meta von dieser Sparte ablässt.
Unter den Social Media Plattformen ist Meta nicht das einzige Schwergewicht mit Ambitionen: Bytedance – der Mutterkonzern von TikTok arbeitet auch an seinem Metaverse. Wie das aussehen wird – und ob eine Koppelung an eine eigene VR-Hardware gegeben sein wird, ist jedoch noch vollkommen unklar.
Auch zu Apple lassen sich in den letzten Monaten unterschiedliche Gerüchte vernehmen. Waren es bis vor wenigen Monaten vor allem Informationen zu einem AR-Headset, lassen sich neuerdings eher Informationen zur Entwicklung eines VR-Headsets vernehmen. Apple ist bei beiden «Realitäten» kein first mover. Gewohnheitsgemäss wartet der Konzern erst, bis sich der Markt zu entwickeln beginnt, um dann mit einer überzeugenden und ausgereiften Lösung anzutreten. Man darf also gespannt sein, was von dieser Seite her zu erwarten ist. Sicher ist nur, dass es sich um einen stark anwenderzentrierten Ansatz handelt, der sich ins Apple-Ökosystem zwischen iOS und MacOS eingliedert. Ob da auch «Raum» für ein eigenes Metaverse ist, wird sich zeigen.
So oder so lässt sich sagen, dass die Entwicklung hin zu einem virtualisierten Web3 bahnbrechende Innovationen mit sich bringen kann und wohl auch wird. Angefangen bei Schulstoff, der in VR hautnah vermittelt werden kann. Über Trainings-Applikationen, wie sie heute schon eingesetzt werden. Hin zur virtuellen Kollaboration, die vollständig unabhängig vom Aufenthaltsort macht, und dennoch im gemeinsamen Raum stattfindet. Oder zum online-Shopping-Erlebnis, bei dem Artikel in Ihrer echten Grösse wahrgenommen werden können. VR beeindruckt die Sinne. Zusammen mit einer Plattform, die Menschen zusammenbringt, kann eine ganz neue Form sozialen Zusammenseins entstehen. Entkoppelt und doch hautnah an unseren Mitmenschen.
AWE Schaffhausen ist eine schweizerische Design- und Kommunikationsagentur mit Fokus auf B2B- und Industriethemen. Unsere Spezialität ist die Verbindung moderner 3D-Technologien mit integrierter Kommunikation. Die Marken unserer Kunden sind damit nicht nur auf den klassischen Kanälen stringent geführt – sondern auch virtuell wirkungsstark inszeniert.
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